Wir Energieverschwender, Teil 1

Platz 28 bei der Energieeffizienzweltmeisterschaft. Immerhin Platz 15 beim Verbessern der Effizienz seit 1980. Und 1992 waren wir schon mal auf dem achten Platz. Da geht noch was, habe ich beim letzten Mal geschrieben.

Wo genau noch was gehen könnte, will ich heute und in den nächsten Artikeln genauer untersuchen. Beginnen werde ich mit einer Analyse, aus welchen Bestandteilen sich der Energieverbrauch in Deutschland zusammensetzt, welche Trends zu erkennen sind und welche Anteile jeder von uns sofort und direkt beeinflussen kann. In den dann folgenden Artikeln werde ich jeden dieser direkt beeinflussbaren Anteile genauer beleuchten: Wie war die Entwicklung in den letzten 20 Jahren? Wie ist die Situation heute? Welche theoretischen und praktischen Effizienzpotentiale gibt es noch?

Aber fangen wir am Anfang an: Der Mutter aller Energiestatistiken, die „Energiedaten“ herausgegeben und regelmäßig aktualisiert vom Bundeswirtschaftsministerium, sind als Spreadsheet (2,2MB) herunterladbar. Die meisten Kennzahlen sind dort für die Jahre von  1990 bis 2010 verfügbar. Ich habe diese Zahlen (angelehnt an David MacKay’s Buch “Sustainable Energy – without the hot air” – Deutsche Version bei Thomas Kerscher) auf die für mich am besten faßbare Größe „Kilowattstunden pro Tag und Einwohner“ (KWh/Tag/E) umgerechnet. Für 2010 kommt ein Primärenergieverbrauch von 131 KWh pro Tag für jeden Einwohner in Deutschland heraus, welcher sich wie folgt aufteilt:

Schauen wir uns jeden Balken an, von unten nach oben:

  • 37 KWh gehen jeden Tag im Energiesektor verloren: Im Kraftwerk und bei der Verteilung
  • 9 KWh werden industriell weiterverarbeitet, zum Beispiel wird aus Öl Kunststoff hergestellt
  • 24 KWh wird in der Industrie dann tatsächlich verbraucht, als Prozeßwärme oder als mechanische Energie für Maschinen
  • Ebenfalls 24 KWh werden im Verkehrssektor verbraucht: PKWs, LKWs, Bahn und Flugzeuge
  • Auch 24 KWh verbrauchen die privaten Haushalte, meist für Heizung und Strom
  • 13 KWh schließlich werden im Gewerbe, Handel und Dienstleistung verbraucht, auch hier meist Heizung und Strom

Als nächstes können wir uns die einzelnen Anteile im Detail anschauen. Wie hat sich der Wert über die letzten 20 Jahre verändert? Welcher Teil der 131 KWh pro Tag und Person lassen sich von dieser Person direkt individuell beeinflussen?

Aus dieser Tabelle lassen sich einige interessante Schlüsse ziehen:

  1. Der Primärenergieverbrauch pro Einwohner ist nicht nur relativ (pro 1000€ Bruttosozialprodukt, wie im letzten Artikel beschrieben), sondern auch absolut gefallen: Jeder Deutsche verfeuert 8,5% weniger Kohle, Öl, Gas und Uran als 1990
  2. Die absoluten Verluste bei Energieerzeugung und -verteilung sind um 13% geringer geworden
  3. Der Verbrauch in Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen ist um 17% bzw. 23% gefallen. Und zwar absolut, über einen Zeitraum in dem das Bruttosozialprodukt um 30% gestiegen ist. Ziemlich effizienzweltmeisterlich!
  4. Der Energieverbrauch der Bereiche Verkehr und Private Haushalte dagegen ist gestiegen: Um 4% bzw. 6%!

Das müssen wir uns genauer anschauen. Trotz aller Energiesparkampagnen seit den 80er Jahren (wer erinnert sich wie ich noch an die bundesbunten „Ich bin Energiesparer“ Aufkleber?) ist der Verbrauch gestiegen? Das müssen die ganzen LKWs auf den Autobahnen sein, oder?

Die Antwort ist nein. In der Tabelle oben habe ich alle Anteile, die jeder individuell und direkt beeinflussen kann, gelb hervorgehoben. Als deutscher Staatsbürger ist man natürlich auch indirekt verantwortlich für den Dieselverbrauch einer Spedition oder den Stromverbrauch einer Aluminiumhütte – daher sind diese Verbräuche ja auch in die 131 KWh pro Tag und Person eingerechnet. Aber beeinflussen lassen sich diese Verbräuche nur indirekt: Durch Konsumentscheidungen, Einflußnahme am Arbeitsplatz, oder Wahlverhalten.

Sehr direkt beeinflussen lassen sich jedoch Verbräuche wie Individualverkehr (Fahre ich mit dem Auto oder dem Fahrrad zum Bäcker?), Strom (Mache ich das Licht hinter mir aus?) und Heizung (Stelle ich den Thermostaten auf 1°C weniger ein, dämme ich mein Haus wenn möglich?). Zählt man diese Anteile zusammen, kommt man auf knapp
41 KWh pro Tag und Person – 32% des gesamten Primärenergieverbrauchs pro Person.

Und dieser Wert ist seit 1990 sogar um 13% gestiegen, mehr als doppelt so schnell wie der Anstieg bei Haushalt und Verkehr allgemein.

Sind wir also alle Energieverschwender? Welche Hebel gibt es, dass der individuell und direkt beeinflussbare Energieverbrauch Deutschland bei der Energieeffizienz-weltmeisterschaft keine Plätze mehr kostet, sondern unterstützt? All das soll Thema der nächsten Folgen dieser Artikelreihe sein:

  • Teil 2 der Serie behandelt den größten privaten Verbrauchsblock, die Heizung
  • Teil 3 der Serie analysiert Effizienzpotentiale des zweitgrößtes Blocks, dem Auto

Überrascht Euch der Anstieg des privaten Energieverbrauchs? Verbraucht Ihr auch 13% mehr Kilowattstunden für Strom, Heizung, Fliegen und Autofahren als 1990? Schreibt einen Kommentar und teilt Eure Meinung zu den Zahlen oben mit allen Lesern!

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2 Antworten zu Wir Energieverschwender, Teil 1

  1. klaus mair sagt:

    fernseher und alles was dran hängt,werden durch schalter von netz getrennt,spart 13 watt standby .antennenconverter ist bei standby an einer stelle warm/heiß .abgeschaltet wird er kalt. also wird auch die lebensdauer dieses teils schön erhöht,weil es abgschaltet nicht im 24stunden betrieb läuft.

  2. rolfk sagt:

    Hallo Klaus,
    vielen Dank für den Kommentar! Mein Fernseher ist neu mit kaum meßbaren Standby, aber mein Multischalter ist auch immer schön handwarm. Da werde ich jetzt mal einen Funkschalter ausprobieren.

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