Kein Platz für Fleisch?

Die Deutschen bestreiten derzeit 30% ihres Kalorienbedarfs mit Milchprodukten, Fleisch und Eiern. Wie groß ist der Anteil am Primärenergieverbrauch jedes einzelnen?

Wie Axel Woitowitz in seiner Dissertation (gefunden über Bioland) nachgewiesen hat, müssen für die Herstellung und Verteilung von Milchprodukten, Fleisch und Eiern 4,3 KWh pro Person und Tag aufgewendet werden. Das liegt irgendwo zwischen Flugbenzin (3,4 KWh/P*Tag) und dem privaten Stromverbrauch (4,7 KWh/P*Tag plus Verluste im Kraftwerk). Nahrungsmittel aus tierischer Quelle hätten also durchaus einen Platz in meiner „Energieverschwender„-Liste verdient.

Ein Anteil von 3% des Gesamt-Primärenergieverbrauch ist zwar bemerkenswert, eine Substitution, zB mit erneuerbarer Energie, ist aber technisch denkbar. Problematischer ist da schon der Anteil von fast 7% an den CO2-Äquivalent Emissionen.  Aber noch wichtiger ist es in diesem Fall, den Flächenverbrauch zu betrachten. Weiter bei  Axel Woitowitz lesen wir, daß der Flächenverbrauch für Milchprodukte, Fleisch und Eier heute bei knapp 10 Millionen Hektar liegt. Das ist fast ein Drittel der Gesamtfläche Deutschlands und zwei Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche (Acker- und Grünland). Die gesamte Fläche in Deutschland ist entweder bebaut, bewaldet oder landwirtschaftlich genutzt. Wir liegen also bereits am Limit der theoretisch zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Nun ist die Bevölkerungsdichte in Deutschland ja recht hoch. Vielleicht stehen woanders mehr Ressourcen zur Verfügung? Nein. Deutschland stellt 1.2% der Weltbevölkerung und auch 0.8% des weltweit verfügbaren Ackerlandes. Also ungefähr den gleichen Prozentsatz. Und: In Deutschland wird sogar 20% mehr Fleisch produziert als konsumiert: 8,1 zu 6,7 Millionen Tonnen im Jahr. Also möchte ich für meine weiteren Berechnungen die Produktionskapazität in Deutschland als obere Grenze für den Verbrauch ansetzen.

Ist denn eine Reduktion dieses Energieverbrauchsanteils überhaupt erstrebenswert? Immerhin reden wir nicht über „Fahre ich zum Metzger oder gehe ich zu Fuß?“ sondern über die Frage „Was esse ich, um satt zu werden und gesund zu bleiben?„. Die Meinungen gehen auseinander, ob das in Deutschland konsumierte gute Kilogramm Fleisch, Eier und Milchprodukte am Tag zu viel oder zu wenig sind. Eine sehr interessante Ernährungsform zum Beispiel, die Paleo-Ernährung, fordert:

  • sich so zu ernähren wie es der Mensch in der längsten Zeit seiner evolutionären Entwicklungsphase getan hat, als Jäger und Sammler,
  • damit ungefähr 60% des Kalorienbedarfs aus tierischen Nahrungsmittels zu decken: Fleisch, Eier, Butter (Milchprodukte sind umstritten),
  • diese Nahrungsmittel natürlich nur aus ökologischem Anbau zu beziehen, etwa Rindfleisch von im Sommer auf Weiden grasenden Tieren.

Würde jeder Deutsche sich so ernähren, wie viel Fläche würde das erfordern? Eine grobe Überschlagsrechnung für die ganze Welt haben Constantin, der Autor des Paleosophie-Blogs, und ich während des ersten Paleosophie-Podcasts letztes Jahr gemacht: Wenn sich die ganze Welt paleo-gemäß ernähren würde, wäre doppelt so viel Weidefläche erforderlich wie vorhanden. Wobei eine gewisse Unsicherheiten über die Quellenlage herrschte, wie viel Weidefläche überhaupt weltweit zur Verfügung steht und genutzt werden kann.

Also möchte ich jene Überschlagsrechnung in diesem Artikel für Deutschland genauer fassen. Alle wichtigen Zahlen finden sich nämlich in der Dissertation von Axel Woitowitz.

Wie schon erwähnt, benötigt der aktuelle Fleisch, Milch- und Ei-Konsum in Deutschland knapp 10 Millionen Hektar (11 Millionen inklusive Export). Eine Umstellung auf ökologische Landwirtschaft (bei gleichbleibendem Verbrauch) würde den Flächenverbrauch auf 14,4 Millionen Hektar vergrößern. 6 Millionen für Milchprodukte, 2 Millionen für Rindfleisch, 4,4 Millionen für Schweinefleisch und 2 Millionen für Geflügelfleisch und Eier. Alles für 30% unseres Kalorienverbrauchs (in den auch noch 2% Fisch eingehen, welches wir hier bei der Flächenbetrachtung aber ausklammern).

Was wäre also, wenn sich jeder Deutsche nach Paleo ernähren würde? Oder so viel Fleisch konsumieren würde wie ein Amerikaner?

  • Amerikaner: 122 statt 88 kg Fleisch, gleich viele Milchprodukte und Eier, alles ökologisch erzeugt: 17,2 Millionen Hektar
    -> 156% der zur Verfügung stehenden Fläche
  • Paleo: Gleich viele Milchprodukte (hauptsächlich verarbeitet als Butter), aber 3x so viel Fleisch und Eier wie heute (um auf 60% Anteil an den Gesamtkalorien zu kommen), alles ökologisch erzeugt: 31 Millionen Hektar
    -> 281% der zur Verfügung stehenden Fläche

Natürlich würde sich im Paleo-Fall der Anteil an für Getreideanbau genutzer Fläche (heute 6 Millionen Hektar) reduzieren – trotzdem läßt sich als Fazit ziehen:

Wir haben in Deutschland 2,5x zu wenig Fläche, um eine Paleo-Ernährung für jedermann zu ermöglichen. Vielmehr müßte jeder Deutsche seinen Milchprodukt-, Fleisch- und Ei-Konsum um 30% einschränken, um eine ökologische Herstellung dieser Güter auf den in Deutschland zur Verfügung stehenden Flächen zu ermöglichen.

Was meint Ihr? Mehr Fleisch oder weniger Fleisch? Sollten wir unsere Nahrungsmittelwahl überhaupt von Ressourcengrenzen wie Energieeinsatz, CO2-Äquivalent oder Flächenverbrauch einschränken lassen? Schreibt einen Kommentar und teilt Eure Meinung zu den Zahlen oben mit allen Lesern!

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5 Antworten zu Kein Platz für Fleisch?

  1. Hallo Rolf,

    danke für die Neu-Berechnung!

    Ich muss mal einen Post über Paleo und Nachhaltigkeit machen, dabei werde ich gerne auf diesen Artikel verweisen.

    Wie sieht es denn mit der Energiebilanz von Fischen aus? IMHO gehören sie zu einem großen Teil in die gesunde Ernährung und könnten Damit Deine Flächenberechnung entlasten.

    Ciao,
    Constantin

    Viele Grüße,
    Constantin

  2. rolfk sagt:

    Hallo Constantin,

    danke für den Kommentar!

    Mit einem durchschnittlichen Fischverbrauch von knapp 16 Kilogramm im Jahr trägt Fisch nur knapp 50 kcal zum Energieumsatz des Durchschnittsdeutschen bei – etwa 2%. Daher habe ich ihn aus der Bilanz dieses Artikels herausgelassen. Ich sehe auch derzeit keine nachhaltige Möglichkeit, die Fischfangmengen zu verzehnfachen, um den Anteil zB auf 20% zu steigern.

    Viele Grüße
    Rolf

  3. Alois sagt:

    Galina Schatalova, sehr gescheit, hat längst nachgewiesen, dass der Mensch in Wirklichkeit wesentlich weniger benötigt, als heutzutage vertilgt wird. Etwa 1/4, soweit ich mich erinnere. Bei genetisch richtiger Zusammenstellung der Ernährung (paleo-ähnlich) gibt es keinen Mangel an lebensnotwendigen Stoffen. Das ergäbe natürlich eine komplett neue Berechnungsbasis für den Flächenverbrauch.
    Und seit ich mich so ernähre bin ich gesund, leistungsfähig, ausgeglichen. Vorher war ich schwerst krank, NYHA III-IV.

  4. rolfk sagt:

    Hallo Alois,

    danke für den Kommentar! Hier zweifelt allerdings mein in Energiebilanzen denkendes Ingenieurshirn. Schließlich bestimmt sich der Grundumsatz eines Menschen ja danach, daß mindestens die Netto-Wärmeabgabe incl. Schweißverdampfung ausgeglichen werden muß. Und das sind so ca. 1500 kcal am Tag, egal ob aus hochwertigen oder weniger hochwertigen Quellen, kcal bleibt kcal. Diskutieren könnte man, wie viel man über den Grundumsatz hinaus man wirklich braucht, man also mit hochwertigeren kcal einen besseren Wirkungsgrad hat.

    • Alois sagt:

      Hallo rolfk,
      danke für deine Antwort. Ich kann deine Ingenieur – Zweifel verstehen, da ich selber einer bin.
      Nun, der Energiegehalt meiner typischen Tagesrationen liegt bei maximal. 650 kcal inklusive Eis und Schlagsahne ;-). Allerdings esse ich vieles roh und (beinahe) nichts, das Stärke (Getreide, Kartoffel, Reis, Knollen) enthält. Da ich den ganzen Tag aktiv bin, müsste der Grundumsatz – je nach Umgebungstemperatur – deutlich darunter liegen. Frau Schatalova, Chirurgin und Wissenschaftlerin, leitete die medizinische Auswahlkommission für die sowjetischen Kosmonauten und hat ihre Theorie mehrmals in extremen Feldversuchen bewiesen.

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