Wir Energieverschwender, Teil 2 – Die Heizung zu Hause

„If we’re going to get this country out of its current energy situation, we can’t just conserve our way out. We can’t just drill our way out. We can’t bomb our way out. We’re going to do it the old-fashioned, American way. We’re going to invent our way out, working together.” 

Das sagt Donald Sadoway zu Beginn seines sehr empfehlenswerten TED Talks über Batterien aus flüssigem Metall. Ich stimme ihm zu: Bohren ist keine Lösung, Bomben schon gar nicht, aber: Neben Innovationen gehört selbstverständlich auch Sparsamkeit zur Ressourcenschonung dazu.
Fortschritt ist, wenn sich ein besserer Lebensstandard mit weniger, aber dafür effizienter in Nutzenergie gewandelter Primärenergie erreichen läßt.

In diesem Sinne möchte ich heute in Teil 2 meiner kleinen „Energieverschwender“-Reihe jenes in Teil 1 beschriebene Phänomen genauer untersuchen, daß trotz steigender Effizienz (=Innovation) der absolute Energieverbrauch im persönlichen Bereich (Haushalt und Verkehr) in Deutschland  seit 1990 um 5% gestiegen ist. Fangen wir an mit dem größten Anteil daran:

Der Heizung zu Hause.

Jeder Deutsche verheizt im Jahresmittel 19 Kilowattstunden Energie am Tag – Gas, Öl, Erneuerbare Brennstoffe, Fernwärme und Kohle. Eventuell noch in Betrieb befindliche elektrische Nachtspeicherheizungen lassen wir dabei außen vor, ebenso wie Wärmepumpen – deren Stromverbrauch ist Teil der 5 KWh Strom, den jedermann jeden Tag verbraucht. Selbst wenn wir annehmen, daß 10KWh Primärenergie eingesetzt werden, um die 5KWh Strom zu erzeugen (genauere Rechnung folgt, wenn wir den Stromverbrauch analysieren), so verbrauchen wir doch über das Jahr gesehen zum Heizen mindestens doppelt so viel Energie wie für elektrische Geräte.

So viel? Es gab doch jede Menge Innovationen seit 1990! Gasbrennwertkessel, Niedertemperatur-Fußbodenheizungen, Wärmeschutzfenster, EnEV 2002, 2004, 2007 und 2009…

Schauen wir mal die Entwicklung des von Wärmeschutzverordnungen bzw. Energieeinsparverordnungen (EnEV) über die Jahre verlangten Maximalverbrauchs an (gefunden bei Passipedia):

Die aktuelle EnEV 2009 sieht als maximalen Primärenergiebedarf für Heizung und Warmwasser sogar typischerweise nur noch 70 KWh/m2 pro Jahr vor, also etwa die Mitte zwischen EnEV 2002 und Passivhaus. Das ist immerhin eine Vervierfachung der Effizienz im Vergleich zum vor 1984 gebauten Bestand! Oder anders formuliert: Dank Innovation werden im Jahr 2012 Häuser schon standardmäßig so gebaut, daß 80% der Energieeinsparung auf dem Weg vom „Bestand vor 1984“ bis zum „Nullheizenergiehaus“ realisiert werden. Eine eindrucksvolle Bestätigung des Pareto-Prinzips: „Mit 20% Aufwand 80% Wirkung“.

Aber warum ist dann der absolute Heizenergiebedarf in Deutschland gestiegen? Die Antwort liefert – wie beim letzten Mal – der Mutter aller Energiestatistiken, die “Energiedaten” des BMWi. Multiplizieren wir dort nämlich den Heizenergiebedarf pro Einwohner mit der Wohnfläche pro Einwohner, so kommen wir für die Jahre 1990 – 1994 auf 200 KWh/m2/a, für die Jahre 2006 – 2010 nur noch auf 160 KWh/m2/a. Ich habe mit Fünf-Jahres-Durchschnittswerten gerechnet, um mögliche kalte Winter „herauszurechnen“. Es ist also ein klarer Trend nach unten zu erkennen, allerdings ist der durchschnittliche Energieverbrauch im Bestand 2010 immer noch mehr als doppelt so hoch wie bei Neubauten nach EnEV 2009.

Gleichzeitig ist im gleichen Zeitraum die Wohnfläche pro Einwohner von 35qm auf 43qm gestiegen.  Das sind 23%. Der Heizenergiebedarf pro Quadratmeter ist um 20% gesunken, womit das Geheimnis um den steigenden absoluten Heizenergieverbrauch gelöst ist: Die innovationsgetriebene Effizienz konnte nicht schnell genug umgesetzt werden, um den steigenden Lebensstandard auszugleichen!

Wo sind also die Hebel im Bereich Heizung, in der Energieeffizienzrangliste ein paar Plätze nach vorne zu rücken?

Die Antwort ist meiner Meinung nach die Konzentration auf beschleunigte energetische Modernisierung des Bestands: Die Heizungstechnik, Dämmung, Fenster auf den Level der EnEV 2009 zu bringen hat noch ein Reduktionspotential von etwa 90 KWh/m2/a – und damit (ohne weiteres Wohnflächenwachstum pro Person) 11 KWh Reduktion auf 8 KWh Primärenergieverbrauch pro Tag und Person. Eine Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs pro Person und Tag von 125 KWh auf 114 KWh würde Deutschland im Weltbank-Energieeffizienz-Länderranking fünf Plätze nach vorne bringen, von Platz 28 auf Platz 23.

Wo stehe ich selbst? Ein Massivbau-Reihenhaus mit Gasheizung, bewohnt von vier Personen. Laut meinem Energieausweis von 2008 liegt der Ist-Wert für den Primärenergiebedarf bei 78,5 KWh/m2/a für 218m2 Nutzfläche. Pro Person lägen wir damit bei 11,7 KWh am Tag. Die tatsächlichen Gasrechnungen seit 2009 ergeben 52,3 KWh/m2/a, also 7,8 KWh pro Person und Tag. Also trotz überdurchschnittlich großer beheizbarer Nutzfläche pro Person trotzdem der im vorherigen Absatz beschriebene Zielwert. Uff.

Wie sieht es bei Euch aus? Sollten wir uns auf die energetische Modernisierung älterer Häuser konzentrieren oder lieber nur noch Passivhäuser im Neubau zulassen? Schreibt einen Kommentar und diskutiert mit!

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